Welche Bedeutung haben Geräusche für Tiere im Meer?

Das Leben im Meer ist auf Geräusche angewiesen. Innerhalb von etlichen Millionen von Jahren haben viele Meeresbewohner die Fähigkeit entwickelt Schall zu nutzen, um ihre Umgebung zu erkunden und untereinander in Kontakt zu bleiben. Viele marine Lebewesen erzeugen und verarbeiten Geräusche für die Partner- und Nahrungssuche, sowie für die Kommunikation mit Artgenossen und um sich zu orientieren. Für diese Tiere ist daher ein intaktes Gehör unerlässlich.

Dabei gibt es verschiedene Anpassungen der Tiere, die sie befähigen zu kommunizieren und mithilfe der Geräusche ihre Umgebung zu erfassen. Licht wird von Wasser stärker absorbiert als von der Luft. Im Meer ist das Licht daher nur im obersten Teil der Wassersäule leicht nutzbar, während sich Schall sich gut ausbreitet. Geräusche funktionieren hier wie akustische Fühler.

Aufgrund der physischen Eigenschaften (besonders Dichte, Temperatur, Salzgehalt und pH-Wert) des Meerwassers können Tiere über sehr große Distanzen in alle Richtungen im Meer Informationen austauschen. Fast alle Meerestiere nutzen akustische Signale, um miteinander zu kommunizieren, Nahrung zu finden, sich zu orientieren und vieles mehr.

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Schwertwalmutter mit Kalb im nordöstlichen Pazifik
Schwertwale nutzen Schall für die Orientierung und den Kontakt mit anderen Artgenossen. | Copyright: NOAA Fisheries, Wikimedia (public domain)

Vor allem die großen Meeressäugetiere profitieren von den so möglichen großen Kommunikationsreichweiten und haben verschiedene Möglichkeiten entwickelt, um die gute Schallübertragung des Meeres zu nutzen. Der Blauwal – das größte Lebewesen der Erde – erzeugt tieffrequente Töne, die ganze Ozeanbecken durchdringen können. Trotz der Lautstärke reicht seine Signalstärke allein hierfür nicht aus, sondern er nutzt gezielt besonders gut schallleitende Wasserschichten, wie z.B. den in größeren Tiefen auftretenden SOFAR-Kanal. Die dortigen Bedingungen schaffen ideale Voraussetzungen für die globale Kommunikation von Walen [1].

Nicht immer ist eine große Kommunikationsreichweite gefordert – einige Wale kommunizieren so hochfrequent oder so leise, dass sie von ihren Räubern (Prädatoren) gar nicht wahrgenommen werden. Schwertwale (auch Orcas genannt) sind versierte Räuber, die mit den unterschiedlichsten Jagdtechniken selbst deutlich größere Tiere und auch andere Wale angreifen. Die Beutetiere haben daher verschiedene Strategien entwickelt sich vor diesen Räubern zu schützen: Manche Walarten schützen sich vor Orcas, indem sie sehr leise kommunizieren und dadurch nur auf kurze Entfernungen geortet werden können. Das Verhalten wird „acoustic crypsis“ – akustische Tarnung – genannt. So erzeugen Südkaper, eine Bartenwalart, nur Geräusche von etwa 134 Dezibel re 1 µPa, um mit ihren Kälbern zu kommunizieren [2]. Das Walpendant zum "Flüstern" ist etwa 100 Dezibel leiser als ein Pottwal bei der Jagd und im physikalischen Vergleich der Arten etwa 100 000 mal leiser. Schweinswale und kleine Delfinarten nutzen für ihre akustische Tarnung aus, dass Schwertwale ab 114 kHz fast taub sind und produzieren nur Geräusche, die noch höher sind. Mit 130 - 150 kHz sind diese Geräusche ca. 6 - 8mal höher als jedes Geräusch, das Menschen wahrnehmen können.

Schnabelwale und Pottwale nutzen nicht ganz so hochfrequente Geräusche, um ihre Nahrung in der Tiefsee aufzuspüren. Der Pottwal ist dabei mit bis zu 230 Dezibel re 1 µPa lauteste Tier der Welt [3]. Alle Zahnwale haben die Fähigkeit entwickelt, wie Fledermäuse, mit einem sehr hochfrequenten Biosonar auf Beutejagd zu gehen. Bei dieser Echoortung können Pottwale und Schnabelwale kleine Kalmare von ca. 30 cm Länge noch in mehr als einem Kilometer Entfernung mit einer taschenlampenartigen Schallkeule aufspüren.

Schall breitet sich in allen Medien, zumindest nahe der Schallquelle, in zwei Komponenten aus: Eine Schalldruckwelle und die Teilchenbewegung (Vibrationen). Dabei ist die Schalldruckwelle ein Verlauf von Druckschwankungen, der durch die Teilchenbewegung entsteht. Jedes Molekül wird z.B. durch ein Schallsignal angeregt, es schwingt oder vibriert dann um einen zentralen Punkt. Das ist die Bewegung der Teilchen oder Teilchenbewegung, im englischen particle motion. Schwingen viele Teilchen in die gleiche Richtung wird der Raum dort komprimiert, schwingen sie von diesem Ort anschließend wieder weg, wird er dekomprimiert, es herrscht dort dann ein geringerer Druck. Die Schallwelle bildet sich dann aus diesen Druckschwankungen. Direkt im Umfeld der Schallquelle dominiert die Teilchenbewegung, die Moleküle schwingen sehr stark. In weiter Entfernung spielen Vibrationen aber fast keine Rolle mehr, obwohl die Druckschwankungen der Schallwelle für Tiere immer noch wahrnehmbar sind. Die Teilchen selbst gehen dabei nicht auf die Wanderschaft, sie übertragen nur die Schalldruckwelle.

Fast alle Meerestiere können eine oder beide dieser Komponenten wahrnehmen, aber die Mechanismen für dieses "Hören" und "Fühlen" des Schalls sind bei vielen Arten noch ungeklärt. Es wird angenommen, dass z.B. Fische über das Seitenlinienorgan und Krustentiere über sensorische Härchen Schall über die Teilchenbewegung, vor allem bei tieffrequenten Geräuschen detektieren. Miesmuscheln zum Beispiel reagieren mit einer klaren Stressantwort auf Schiffslärm: Sie filtrieren weniger und wachsen dann wesentlich schlechter. [1] Die dahinter liegenden Mechanismen sind aber noch nicht geklärt. Nicht bei allen Tieren ist also klar, welche Bedeutung Schall für sie hat. Klar ist aber, dass er einen wesentlichen Einfluss auf fast alle Arten im Meer hat.

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Paarungsrufe von Bartmännchen | Copyright: Dr. Rodney Rountree (CC BY-SA)
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Pottwal (Physeter macrocephalus) | Copyright: Sophie van Parijs (CC BY-SA)
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Buckelwal (Megaptera novaeangliae) bei der Nahrungssuche| Copyright: Helen Rößler (CC BY-SA)

[1] Stafford, KM, Fox, CG and Clark, DS (1998). "Long-range acoustic detection and localization of blue whale calls in the Northeast Pacific Ocean." J. The Journal of the Acoustical Society of America 104(6): 3616-25. DOI: 10.1121/1.423944.

[2] Nielsen, MLK, Bejder, L,  Videsen, SKA, Christiansen, F and Madsen, PT (2019). "Acoustic crypsis in southern right whale mother–calf pairs: infrequent, low-output calls to avoid predation?" Journal of Experimental Biology 222(13): jeb190728. DOI: 10.1242/jeb.190728.

[3] http://www.bbc.com/earth/story/20160331-the-worlds-loudest-animal-might-surprise-you

[4] Wale, MA, Briers, RA, Hartl, MGJ, Bryson, D and Diele, K (2019). "From DNA to ecological performance: Effects of anthropogenic noise on a reef-building mussel." Science of the Total Environment 689: 126-132. DOI: 10.1016/j.scitotenv.2019.06.380.