Wie greift der Mensch in die Unterwasserakustik ein?

Der Mensch beeinflusst die Meeresumwelt durch unterschiedlichste Aktivitäten. Die Ozeane werden durch die Zufuhr von Schadstoffen, Schwermetallen, Nährstoffen, Plastikmüll, aber auch durch Lärm schwer belastet. Für einige Meeressäugetiere stellt der anthropogene Unterwasserschall mittlerweile eine der großen Bedrohungen dar.

Vor allem die Schifffahrt, das Erkunden von Rohstoffen im Meeresboden, militärische Aktivitäten sowie der Bau von Windkraftanlagen und Bohrinseln tragen zum Lärm im Meer bei. Der durch diese Aktivitäten verursachte Lärmpegel nimmt in erschreckendem Maße zu; durchschnittlich 3 Dezibel pro Dekade im Nordpazifik – in anderen Regionen der Welt wird vermutet, dass diese Quote sogar noch höher liegen könnte. 3 Dezibel hören sich nicht viel an; da der hier benannte Lärmpegel für die Schallintensität aber durch die logarithmische Einheit Dezibel angegeben wird, bedeutet es, dass sich der Lärm in diesen Bereichen in 10 Jahren verdoppelt hat [1].

Schiffsverkehr

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Vorderansicht eines Containerschiffs
Schiffsgeräusche zählen zu den am weitesten verbreiteten Lärmquellen im Meer. | Copyright: Pxhere (CC0 1.0)

Mehr als 90 Prozent der weltweit gehandelten Güter werden mit Schiffen transportiert [2]. Die Motoren, Propeller und Sonare der Schiffe generieren einen permanenten Lärmteppich, der die natürlichen Geräusche im Meer oft überlagert. Der Lärmpegel der einzelnen Schiffe variiert mit Größe, Beladung, Propellertyp und -ausrichtung und der Geschwindigkeit. Die meisten Schiffe sind umso lauter, je schneller sie fahren. Viele Schiffe produzieren tiefe Töne, oft in der gleichen Tonhöhe, die auch viele Meeressäuger für ihre Verständigung untereinander nutzen. Diese Geräusche verbreiten sich über enorme Distanzen und zählen zu dem am weitesten verbreiteten Lärm im Meer [3].

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Fähre Vorbeifahrt | Copyright: Dr. Michael Dähne (CC BY-SA)

 

Sonare und Echolote

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U-Boot und militärisches Schiff auf dem Meer
Insbesondere die leistungsstarken Sonare von U-Booten und anderen Kriegsschiffen beeinträchtigen marine Säugetiere direkt. | Copyright: Pxfuel (CC0 1.0)

Sonargeräte dienen der Erkundung der Meeresumwelt und der Sicherheit der Schifffahrt. Die Geräte senden Schallwellen aus und empfangen die vom Zielobjekt (Meeresboden, Fisch, U-Boot etc.) reflektierten Echos. So werden auf Monitoren Fischschwärme, Wracks, U-Boote oder Untiefen sichtbar. Weil Sonare und Echolote nach dem gleichen Prinzip arbeiten, werden sie oftmals als Synonym bezeichnet. Sonare sind jedoch häufig nach vorn gerichtet oder ungerichtet und fast immer wesentlich lauter und problematischer als die nach unten gerichteten Echolote zur Feststellung der Wassertiefe von kleineren Schiffen. Wissenschaftlich genutzte Fächerecholote und Seitensichtsonare sind aber erheblich lauter als ein einfaches Echolot und können Tiere stören. Insbesondere die leistungsstarken Sonare von U-Booten und anderen Kriegsschiffen beeinträchtigen marine Säugetiere direkt. Der extrem hohe Schalldruck kann Wale und Delfine irritieren und vertreiben. Tieftauchende Wale, wie z.B. Schnabelwale, werden während der Jagd in großer Tiefe nachweislich durch militärische Sonare gestört. Ihr anschließendes schnelles Auftauchen führt zur „Taucherkrankheit“ – nicht abgeatmete Stickstoffblasen zerstören oder schädigen besonders sensible Gewebe und können dann zum Tod der Tiere führen [4]. Regelmäßige Massenstrandungen und der öffentliche Druck haben inzwischen zu einem teilweisen Umdenken bei den militärischen Verursachern geführt. Einige Staaten haben in Vorsorgemaßnahmen investiert oder vermeiden Gebiete mit hohen Vorkommen von Walen für ihre militärischen Übungen. Dieses deutliche Beispiel zeigt, dass Auswirkungen von Lärmquellen im Meer komplex sind und für einzelne Tiere oder Gruppen zu katastrophalen Auswirkungen führen können. Es zeigt aber auch, dass man mit diesen Problemen offen umgehen kann und dann Lösungen gefunden werden. Obwohl militärische Sonare zu drastischen Auswirkungen führen, ist derzeit unklar, ob nicht die Vielzahl der Echolote, Fischfinder und Sonare durch ihre aufsummierten Wirkungen, die sogenannten kumulativen Effekte, nicht schlussendlich doch zu stärken Effekten führen, als die relativ seltenen Einsätze von militärischen Sonaren.

 

Rammarbeiten

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Bohranlage auf dem Meer
Mithilfe riesiger hydraulischer Rammen werden die Fundamente für Offshore-Bauwerke errichtet, dabei entsteht Impulslärm. | Copyright: Pxhere (CC0 1.0)

Starke Lärmbelastungen entstehen auch bei der Einbringung von Fundamenten für Offshore-Bauwerke wie Öl- und Gasplattformen und Windkraftanlagen. Für die Fundamente werden Stahlrohre mit derzeit (Stand 2019) bis zu 10 Metern Durchmesser mit hydraulischen Rammen bis zu 50 m im Meeresboden verankert. Die Rammarbeiten dauern typischerweise ca. 2-3 Stunden, in denen alle ein bis zwei Sekunden ein Rammschlag erfolgt. Insgesamt werden 2.000 – 14.000 Rammschläge benötigt, um einen Pfahl einzuschlagen. Die Rammung eines Pfahls darf in Deutschland derzeit nicht länger als drei Stunden dauern und nicht lauter als 160 dB re 1 µPa²s (Schallexpositionspegel) und 190 dB re 1µPa (Spitzenschalldruckpegel) in 750 m Entfernung von der Baustelle sein. Zur Abschwächung der Signale werden zum Beispiel sogenannte Blasenschleier eingesetzt.

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Rammarbeiten (Distanz 2-4 km) | Copyright: Dr. Michael Dähne (CC BY-SA)

Alle Bauarbeiten werden intensiv durch ein Begleitmonitoring überwacht, so dass bei Überschreitungen die genehmigende Behörde (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie) sofort eingreift und Nachbesserungen fordert. In der Vergangenheit (bis 2013) gab es hierfür keine einheitliche Regelung – und das gilt auch heute noch in vielen Ländern. Dort können Arbeiten an einem Fundament auch mehrere Tage dauern und viel lauter sein, als in Deutschland. Die Schallwellen, die durch diesen extremen Impulslärm entstehen, können auch in über einhundert Kilometern Entfernung von Robben und Walen wahrgenommen werden.

 

Explosionen

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Explosion alter Munition auf dem offenen Meer
Lokale Sprengungen zur Beseitigung von Seeminen und Torpedosprengköpfen erzeugen mit die lautesten anthropogenen Geräusche im Meer. | Copyright: U.S. Navy (public domain)

Millionen Tonnen Munition liegen auf dem Grund des Meeres. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden diese sogenannten Kampfmittel vielfach im Meer entsorgt. Heute gefährden sie Schifffahrt, Fischfang und Anwohner. Beim Verrosten belasten sie mit ihren giftigen Bestandteilen die Umwelt der Meerestiere. Seeminen und Torpedosprengköpfen werden oft durch gezielte Sprengungen beseitigt. Nach nuklearen Explosionen sind dies die lautesten von Menschen verursachten Geräusche im Meer. Auch für Materialtests werden Sprengstoffe gezündet, um beispielsweise militärische Schiffe auf ihre Widerstandsfähigkeit zu testen. Solche „Anspreng“-Versuche erzeugen extrem hohe Lärmbelastungen in einem breiten Frequenzbereich. Explosionen werden aber auch genutzt, um Trassen für die Verlegung von Kabeln und Pipelines oder untermeerischen Baugrund vorzubereiten.

Die größte Gefahr entsteht bei Explosionen durch die sogenannte Druckwelle – sie kann direkt Organe schädigen und zum Tod führen [5]. Deshalb dürfen Taucher im Umkreis von mindestens 3 km während der Durchführung von Explosionen nicht im Wasser sein. Auch in größeren Entfernungen kann das Gehör von Tieren permanent geschädigt werden.

 

Seismische Untersuchungen

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Schematische Abbildung von Schallkanonen und Streamer am Achterschiff für die Aufnahme eines geophysikalischen Profils
Unterwasser-Druckluftkanonen werden für die Kartierung des Meeresbodens eingesetzt. Hydrophone zeichnen dabei den zurückgeworfenen Schall auf. | Copyright: Hannes Grobe, Alfred Wegener Institute, Wikimedia (CC BY-SA 2.5)

Beim Erkunden des Meeresbodens nach Öl- und Gasvorkommen senden mehrere Unterwasser-Druckluftkanonen (Airguns) in rascher Folge Schallwellen aus. Diese Airguns werden von Schiffen aus eingesetzt und senden Schallpulse mit hohem Druck in alle Richtungen aus. Die vom Meeresboden und den darunterliegenden geologischen Schichten reflektierten Schallpulse werden dann analysiert. Dutzende Kanonen werden dabei alle paar Sekunden gleichzeitig abgefeuert. Die so erzeugten Schallwellen dringen nicht nur durch die gesamte Wassersäule, sondern können Kilometer tief in den Meeresboden eindringen. Hydrophone (Unterwasser-“Mikrophone“) zeichnen die zurückgeworfenen Echos auf. Über die so entstehenden Schallmuster können Computer genaue 3D-Karten vom Meeresboden und den geologischen Schichten berechnen. Diese geben Auskunft über die Beschaffenheit des Bodens und erlauben es z.B. wirtschaftlich lohnende Erdöl- und Gasvorkommen und deren exakte Position zu ermitteln, dienen aber auch dem Verständnis erdgeschichtlicher Veränderungen wie sie für die Klimaforschung benötigt werden [6].

[1] OSPAR (2009). "Assessment of the environmental impact of underwater noise." OSPAR, London.

[2] UNCTAD - United Nations Conference on Trade and Development (2016). "Review of Maritime Transport." New York and Geneva.

[3] Williams, R, Wright, AJ, Ashe, E, Blight, LK, Bruintjes, R, Canessa, R,... and Wale, MA(2015). "Impacts of anthropogenic noise on marine life: publication patterns,new discoveries, and future directions in research and management." Ocean & Coastal Management 115: 17-24. DOI: 10.1016/j.ocecoaman.2015.05.021. 

[4] https://www.stiftung-meeresschutz.org/themen/artenschutz/militaerische-sonare-toeten-schnabelwale/

[5] Goertner, JF (1981). "Fish-kill ranges for oil well severance explosions." Naval Surface/Weapons Center Report NSWCTR 81-149. Silver Springs, MD. 

[6] Ocean Care (2014). "Im Lärm ertrinken  -  Aufruf für internationale Massnahmen zum Schutz der Meeresfauna." veröffentlicht im Schattenblick, Umwelt, Internationales, Meer/119.